Rosszko? Ich ging mit ihm zur Schule – wie lange, weiss ich nicht mehr, vielleicht ein oder anderthalb Jahre. Er tauchte plötzlich im Schulzimmer auf, und war dann einfach da. Der Lehrer stellte ihn auch nicht vor, solche Höflichkeiten waren bei uns nicht üblich. Er hatte einen fremden, eher südländischen Akzent, sprach aber unsere Sprache fliessend. Sein Äusseres war – aus heutiger Sicht betrachtet – gepflegt, wir aber empfanden es als geschniegelt, was Rosszko anfänglich einige Rempeleien unsererseits eintrug, die er jedoch ohne eine Miene zu verziehen und ohne sich je zu rächen erduldete. Doch gab sich das mit der Zeit – ich könnte nun schreiben, nachdem wir ihn kennen gelernt hatten. Aber das wäre falsch. Präziser ist: Wir lernten Rosszko nie genau kennen, und ich weiss nicht, ob ihn heutzutage, wo er in jedermanns Munde ist, wirklich jemand genauer kennt. Von manchem, was wir zu kennen vermeinen, kennen wir womöglich nur unsere Vorstellungen – und nicht das Wesen selbst.
Wir wussten nicht viel von ihm. Er wohnte auf einer kleinen Anhöhe in der Nähe des Bahnhofes, und die Eisenbahn schnitt ihre Linie gleich hinter dem Hügel in den Berg. Rosszko besass einen deutlich überdimensionierten Schultornister, den er jeden Tag mit sich trug – im Gegensatz zu uns, die wir nur am Wochenende zu spitzende Farbstifte nach Hause brachten.
Beim Lehrer galt Rosszko, der eigentlich eher gute Noten schrieb, als unaufmerksam, und er wurde öfter gerügt, er sei ein Träumer. Der Grund dafür war, dass sich Rosszko ab und zu nicht rührte und auch auf Fragen keine Antwort gab. Da ich in seiner Nähe sass, erkannte ich, dass Rosszko keineswegs träumte – mir jedenfalls kam es nicht so vor. Sondern er beobachtete irgendjemanden oder irgendetwas, und sein Beobachten war von solcher Intensität und Ausschliesslichkeit, dass er alles andere wegblendete. Der Lehrer schien ihn nicht zu mögen, und folglich war es gewöhnlich Rosszko, der da und dort hin geschickt wurde. Rosszko musste im Lehrerzimmer vergessene Hefte holen; Rosszko musste Material in andere Schulzimmer tragen; Rosszko musste im Dorf Besorgungen erledigen, was dieser immer zuverlässig und ohne Murren erledigte.
Dem Vernehmen nach wohnte Rosszko bei seinem Vater – eine Mutter bekamen wir nie zu Gesicht, dafür eine Haushälterin, die auch den Garten besorgte. Rosszko war kaum je mit uns übrigen Schülern zusammen; so kann ich mich nicht erinnern, dass wir je gemeinsam gespielt hätten. Nein, Rosszko beschäftigte sich im nahe gelegenen Bahnhofkiosk. Dies wurden zuerst diejenigen von uns inne, die genügend Taschengeld besassen, um sich dort ab und zu etwas zu erstehen, Süssigkeiten, Kaugummis, die damals in Mode kamen, oder Comiczeitschriften für Kinder.
Was er da tat, war uns erst nicht ersichtlich, aber wir beneideten ihn sogleich heimlich – und verdächtigten ihn erst einmal der Schleicherei und Schleimerei, weil die Kioskfrau auch aus unserer jungenhaften Perspektive eine durchaus ansehnliche, ja attraktive Frau war, und die früh Pubertierenden unter uns wohl gar zu ihren ersten erotischen Phantasien inspiriert haben muss.
Rosszko beschäftigte sich im engen Räumchen hinter der Auslage: Er ordnete Zeitschriften oder stellte Packen alter, unverkaufter Zeitungen vor die Tür. Einmal sah ich ihn – was mir untrüglicher Beweis unverfrorener Intimitäten seinerseits mit der Kioskfrau war – einen Zug aus ihrer Zigarette nehmen, und ich bildete mir sogar ein, am Mundstück eben dieser Zigarette rosa Lippenstift gesehen zu haben.
Rosszko rechnete auch im Kopf die Bezüge der Kunden aus, schneller als die Kioskinhaberin, und schrieb den Endbetrag unauffällig auf einen Zettel. Rosszko holte Gewünschtes aus den hinteren Regalen. Und: Rosszko konnte den Kunden Waren präsentieren; er trat dann wendig aus dem Kiosk, kam vor die Auslage und legte den Interessenten Zeitschriften vor oder eine Auswahl von Lutschbonbons, Schokoladenriegeln, Papiertaschentüchern, Zigarillos; er kannte sich im Tiefkühler aus, dem ersten, den ich je herumstehen sah.
Nicht genug: Der Kiosk hatte – als einziger Laden in unserem Dorf – ein Angebot an Spielsachen. Darunter waren irgendwelche Plastikpistolen oder Indianerfedern für die Kleinen, Püppchen, ja Schminkutensilien für Mädchen, worüber wir mit Verachtung hinwegsahen. Aber selbst diese Lächerlichkeiten war Rosszko bereit zu zeigen und den Kundinnen darzubieten. Den Handel aber schloss gewöhnlich die Kioskfrau ab. Ich nahm an, dass er für seine Dienste irgendwie bezahlt wurde, dass er also über Geld, viel Geld, verfügte oder über andere Vergünstigungen, doch niemand von uns wusste Genaueres.
Wir Jungen unsererseits waren scharf auf kleine, bunte Autos und Flugzeuge aus Metall, die in Verpackungen mit Cellophanfensterchen steckten und uns lockten. Es waren präzise Modelle der auf den Strassen verkehrenden Wagen und der Flugzeuge, die wir in der Ferne am Himmel sahen. Sie verhiessen die grosse Welt – genauso wie die Zeitschriften und Magazine, die Groschenromanheftchen mit den gemalten Helden auf dem Umschlag, die schmutzverspritzt und mit einem Gewehr in der Hand dem Sieg entgegenmarschierten. Dem Sieg und der Rose aus zarter Hand.
Für uns war der Kiosk sowohl eine unergründliche Schatzkammer – mit der Verkäuferin als deren unumschränkte Königin – als auch das verheissungsvolle Tor zur Welt schlechthin. Und Rosszko war dessen Hüter – Rosszko, der durch dieses Tor mit der grössten Selbstverständlichkeit ein und aus ging.
Rosszko verkaufte nichts. Er war der Mann fürs Zeigen; er konnte eine Art Matte oder Teppich heranschleppen, auf dem Boden vor dem Kiosk ausrollen und die kleinen Krans und Sportwagen und Omnibusse und Lastwägelchen geschickt aus den Verpackungen nehmen und ihre Vorzüge demonstrieren. Nie drängte er zum Kauf, auch liess er sich nie zu einem günstigeren Preis überreden – was wir immer wieder einmal versuchten. Rosszko feilschte nie. Am Handel selbst schien er nicht interessiert zu sein, sondern nur an der Demonstration, die er mit grösster Hingabe zelebrierte. Ja Rosszko verlieh allem einen besonderen Glanz, und wenn er dann die kleinen Kostbarkeiten wieder sorgfältig in ihre Verpackungen schob und sie ins Kioskregal zurückstellte, von wo sie uns heimlich zuzwinkerten, da wurde der Nachhauseweg lang und schwer für uns, und wir zählten unsere Ersparnisse zum hundertsten Mal.
Ab und zu verstieg sich Rosszko auch dazu, einen der Kioskschätze mit in die Schule zu bringen; ich nehme an, dass er uns damit erst richtig den Mund wässrig machen wollte, jedenfalls trug er das Wägelchen jeweils nicht nur doppelt verpackt im Tornister, sondern hatte auch da eine kleine Matte bei sich, um beim Vorführen das Spielzeug vor Schmutz und Kratzern zu schützen. Doch hatte er damit eine unsichtbare Grenze überschritten, denn eines Tages passte ihm eine Gruppe von Jungen ab und überfiel ihn, warf seinen Tornister zu Boden und malträtierte diesen so lange, bis sein Inhalt mit Sicherheit verbeult und verbogen sein musste. Rosszko tat mir leid – doch in meinem tiefsten Inneren regte sich eine gewisse Genugtuung, hatte er doch nach unser aller Meinung Sitte und Anstand gröblich verletzt. Er selbst verzog keine Miene, sondern beobachtete das Treiben aufmerksam. Eine Weile lang waren wir nicht mehr beim Kiosk zu sehen, doch dann sondierten wir das Terrain und näherten wir uns wieder dem Bahnhof. Rosszko tat, als ob nichts geschehen wäre.
Ich erstand – selten genug – eines dieser Objekte meiner Sehnsucht, ein Rennauto oder einen Polizeiwagen, ein Ambulanzfahrzeug oder einen tarnfarbigen Schützenpanzer. Da ich bald ein begeisterter Leser wurde, kaufte ich später auch Comics, wechselte dann zu den Abenteuer- und Kriegsromanen, die in Serien als Hefte am Kiosk erhältlich waren; sie waren bedeutend spannender als die Bücher, die wir in der Schule einmal im Monat ausleihen durften.
Der Kiosk war täglich geöffnet, und die Szenerien auf den Heftchen verfolgten mich auf meinem Schulweg so lange, bis ich schwach wurde und mir wieder eine der Geschichten erstand, ausgehändigt von Rosszko, der das neue Heft jeweils rollte und zum bequemeren Transport mit einem Gummibändchen sicherte. Riesig war jeweils die Vorfreude auf das Lesen – heimlich und verbotenerweise unten am Bach oder im Winter unter der Bettdecke, denn mein Vater bestand auf ernsthafter Literatur, worunter er seine Sammlung von altbackenen und vergilbten Exemplaren einer längst erloschenen Büchergilde verstand, die er vor Jahrzehnten aufgebaut hatte.
Ich selbst sammelte meine Heftchen ebenfalls, auch wenn ich sie nie mehr ein zweites Mal las, genauso wenig wie er seine Bücher. Aber die Romane waren Sinnbild meines geistigen Reiches und Reichtums, und diese Sinnbilder wollte ich handfest in meiner Nähe wissen – so dass ich sie im dunklen Winkel unter der Kellertreppe stapelte. Da wir in einem Mietshaus wohnten, wies im Falle einer Entdeckung nichts auf mich als Besitzer hin.
Ich verband diese Literatur auch mit Rosszko, meinem Mitschüler, der ja seinerseits von weither kam – Genaueres war uns nicht bekannt – und der wie erwähnt nach anderthalb Jahren auch plötzlich wieder verschwand, dem Vernehmen nach zu seiner Mutter, die im Süden oder gar auf einem anderen Kontinent lebte. Die Soldaten-, Cowboy- und Entdeckergeschichten trugen mich im Geiste zu ihm und in die grosse Welt, aus der sie ja alle stammen. Ich las zwischendurch – nach meinem sorgenvoll ersehnten Eintritt in die Pubertät – auch Liebesgeschichten, und entdeckte im Kiosk später auch die erotischen Magazine, glänzend und verheissungsvoll, die bedeutend kostspieliger waren, die ich mir aber von meinem Lehrlingslohn ab und zu beschaffen konnte.
Doch meine grosse Freude blieb das Kaufen und Sammeln der winzigen Wägelchen, die Freude an den Modellen, die die grosse Welt verhiessen, die Muldenkipperchen, die Grossstadtbusse, das rote Cabriolet mit dem weissen Polster, das ich mir in herb duftendem Leder vorstellte, mit dem ebenso weissen Steuerrad. Die gleichen Autos waren in den Zeitschriften zu sehen, und da standen neben den Photographien der Wagen wunderschöne junge Frauen, einladend die Tür öffnend, auf dem Beifahrersitz sich räkelnd oder gar auf der Kühlerhaube oder auf einer der damals modischen Schwanzflossen sitzend. Eine ganze Welt steckte in diesen kleinen Fetischen – so hat ein älterer Cousin sie einmal witzelnd genannt –, in diesen fahrbaren Wundergefährten.
Im Kiosk waren sie auf einem Regal weit oben aufgereiht, nur wenige Exemplare, obwohl die Kioskfrau im Lager hinter dem Verkaufsstand über ein unermessliches Arsenal verfügen musste, zu dem nur Rosszko Zutritt hatte, denn die Auslage wurde – meist von ihm – alle paar Tage ausgewechselt, was meine Begierde auf die Spitze trieb. Ich war dem Verlangen ausgeliefert und konnte nicht anders als meinen Schulweg verlängern – wenigstens wenn ich über Taschengeld verfügte – und am Bahnhof und der Auslage vorbei ziehen, dort den Schritt nur kurz verzögernd, um meine Schwäche für die Versuchungen im Regal nicht öffentlich werden zu lassen.
Hatte ich genügend Geld beisammen, so war es eine Frage der Zeit, bis ich mich zum Kauf eines der kleinen Automobile hinreissen liess, die durch die Fensterchen in den Packungen blinkten. Während des öden Schulunterrichtes hatte ich zwar genügend lange Bedenkzeiten, doch wählte ich im Augenblick des Kaufens aus einem momentanen Impuls heraus, und zwar je nach der imaginierten Identifikation mit dem zukünftigen Chauffeur des Gefährts: Wenn ich mich als wohlhabender Firmeninhaber mit viel Freizeit und einer begehrenswerten Gespielin sah, so erstand ich mir vielleicht einen blau und rot lackierten kleinen Sportwagen mit Faltdach und wuchtiger Schnauze, phantasierte ich aber mein Leben und meine künftige Zeit auf einer riesigen Strassenbaustelle in den Bergen, so handelte ich mir für mein Geld einen kleinen gelben Löffelbagger oder eine Planierwalze oder gar einen winzigen Sattelschlepper ein.
Zu Hause spielte ich mit den Fahrzeugen wie jeder Junge: ich war allerdings ausgesprochen darauf bedacht, Beulen oder Lackschäden zu vermeiden, und litt, wenn mein älterer Bruder oder ein Spielkamerad weniger sorgfältig damit umging. Abends stellte ich meine Schätze auf eine Galerie im Kleiderkasten, sorgfältig in eine Reihe, und kontrollierte den Bestand.
Ich wechselte nie – anders als einige Jungen in der Klasse – zu einer Modelleisenbahn. Einige Burschen hatten Väter, die kleine Welten mit diesen Eisenbahnen bauten – und selbstverständlich war ich stolz, wenn ich bei einem Besuch eine kleine Lok durch Tunnels und über Berge steuern durfte. Aber meine Welt blieb in den bunten Autos verborgen, es war eine geistige Welt – ja ist es immer noch, denn bis heute sammle ich diese kleinen Fahrzeuge; ich sammle Neuausgaben, aber auch solche, die mittlerweile als Oldtimer gelten.
Ja, ich bin ein Sammler geworden. Die kleinen Autos gehören zu meiner geistigen Welt, die ich mir nach und nach aufgebaut und die mir bedeutend geordneter und übersichtlicher erscheint als die dingliche, deren Unzuverlässigkeit ich zu verabscheuen begann. Ordnung ist für mich die wichtigste Referenzgrösse, nach welcher das Leben, ja die ganze Menschheit sich richten sollte. Ordnung würde die schlimmsten Katastrophen vermeiden: Krieg, Mangelwirtschaft, Epidemien – dass die letzteren Folge der vollkommen ungeordneten Herumreiserei ganzer Menschenmassen sind, braucht ja wohl nicht bewiesen zu werden.
Mein Ordnungsstreben führte mich auch zu meinem späteren Beruf: Ich lernte Verwaltungskaufmann und fand eine bescheidene Karriere in der Buchhaltung einer seriösen Firma – sie ist der Inbegriff der Ordnung – und bin für die reibungslose Abwicklung des Zahlungsverkehrs zuständig. Aber meine Steckenpferde blieben seit der Kindheit dieselben. Es sind meine Sammlungen. Ich sammle nicht nur Schriften und Geschichten, sondern ich blieb meinen – und Rosszkos – Anfängen treu.
Unter meinen Automobilen sind viele Modelle, die mittlerweile beträchtlichen Wert haben; meine Sammlung ist eine der grössten überhaupt. Sie steht heute gepflegt und angenehm beleuchtet in meinen weiten Regalen; es ist eine stille Welt, die Vorbild sein könnte für die reale, dingliche. Ich sage absichtlich nicht für die „richtige“ Welt, denn ich bin mir nicht sicher, ob die geistige Welt nicht doch die richtige und wahrhaftige ist, die innere, durch den menschlichen Verstand geprägte und nicht von den Leidenschaften beherrschte Welt, auch wenn man das Sammeln durchaus auch als Leidenschaft bezeichnen kann.
Natürlich hörte auch ich später wieder von Rosszko, von seiner Macht und seinem Werdegang. Dass er nun die weltweite Herrschaft übernommen hat, ist die logische Konsequenz der Entwicklung. Die Kommunity ist auch meine Kommunity, und durch das Portal kommuniziere ich mit Menschen, die die gleichen Werte haben wie ich – und eine vergleichbare Sammlung. Wir zelebrieren sozusagen in den eigenen vier Wänden die Ordnung der Welt, die ja nun Rosszko in der Realität auch aufzubauen gedenkt. Und ich bin überzeugt, dass er die Keime dieser Idee – dass Ordnung auf geistigem, medialem Weg errungen werden muss – genau wie ich damals hatte, als der Kiosk der Ort unserer Begegnungen war.
Gewiss hat Rosszkos Portal dem Sammeln und Zeigen ganz neue Dimensionen verliehen: Natürlich habe ich schon seit vielen Jahren jedes einzelne Stück registriert und alle Daten archiviert. Nun aber sind speziell für Sammler dreidimensionale Photoapparate entwickelt worden, mit denen wir unsere Schätze so portraitieren können, dass sie – ins Portal gestellt – von jedermann aus jeder nur möglichen Perspektive betrachtet werden können. Gewisse Modelle sind dadurch und natürlich durch ihren Seltenheitswert – ich besitze eine ganze Reihe von Fahrzeugen, von denen es kein zweites Exemplar mehr gibt – teuer geworden, und meine Sammlung gilt als die reichhaltigste und kostbarste. Dafür werde ich von Laien ab und zu beneidet – zu Unrecht, denn solche Werte sind virtuell und auf dem Markt nicht in Geld umsetzbar.
Denn man verkauft nur, wenn man in Nöten ist – oder dann Zweit-exemplare. Dem Besitzenden ist Geld nichts wert. Seine Sehnsucht ist eine andere. Vielleicht eine bescheidenere – vielleicht eine anmassendere: Es ist die Sehnsucht nach der Vollständigkeit. Meine eigene Sammlung von Scratchboxmobilen ist vollständig. Seit kurzem. Und doch plagt mich eine Lücke – die Vorläufer der Scratchboxes sind bei mir nicht vollzählig. Das sind sie nirgends. Einiges ist verloren gegangen, und ich bin natürlich auf der Suche – ebenfals im Portal. Ab und zu auch auf Flohmärkten oder in Brockenhäusern, also an Orten, wo die Leute nicht wissen, was sie haben.
Für das Portal habe ich kleine Imitate der gesuchten Objekte nach alten Bildern aus Ton modellieren und photographieren lassen, um so ausgerüstet in der Rosszko-Suchmaschine unablässig nach einem vergleichbaren Gegenstand zu suchen – meine Hoffnung ist klein, dass die Maschine fündig wird, aber immerhin: Ich habe nichts unversucht gelassen.
Mit einem anderen Apparat, der ans Portal gekoppelt werden kann, kann ich virtuell mein Automobil vergrössern, mich hineinsetzen und durch die Strassen fahren, und zwar wahlweise durch eine Phantasiewelt, die ich mir aufgebaut habe, oder aber auch durch die Strassen meiner oder einer beliebigen Stadt: ich kann mit meinem Raupenkran auf einer in meiner Nachbarschaft bestehenden Baustelle, die ja wie alles, was uns umgibt, regelmässig erfasst wird, mitarbeiten, ein halbes oder ein ganzes Stündchen, und mich wieder davon lösen, ohne mir die Hände schmutzig zu machen und ohne den Lärm, der gewöhnlich auf solchen Baustellen herrscht – auch wenn ich diesen natürlich zuschalten kann, was allerdings meinen Nachbarn missfallen würde. Ich kann sogar alte Zeiten imitieren und somit sozusagen durch meine eigene Vergangenheit fahren.
Aber diese Spielereien betreibe ich selten, und wenn, dann eher aus Langeweile. Meine Hingabe gilt der Sammlung, und meinem Bewusstsein, Herrscher einer Zauberwelt zu sein, in der alles geordnet und beständig und vollständig bleibt – so, wie ich mir Rosszkos zukünftigen Staat vorstelle.
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Andreas KöhlerLessingstrasse 2CH - 9008 St. GallenDr. med. / FMH Psychiatrie und Psychotherapie