Rosszko? Was soll ich denn schreiben. Über Rosszko wird hier geschrieben, und über die Kommunity. Und dass wir alle zur Kommunity gehören. Das sagt auch der Chief. Am Tag der Kommunity. Ich weiss nicht genau, was die Kommunity ist; der Chief sagt, die Kommunity ist die Gemeinschaft aller Menschen, aber ich weiss nicht, ob alle dazugehören, denn die Menschen, die hier vorbeikommen, ich meine die Menschen, die vorbeifahren und vielleicht kurz halten, um uns zu besichtigen, die gehören doch nicht zur gleichen Kommunity wie wir hier.
Dass wir zu einer Gemeinschaft gehören sagt auch mein Onkel. Er ist der Chief der Familie, nur der Familie, so könnte man sagen, und er hätte selbst geschrieben, wenn er schreiben könnte. Er ging zwar in die Schule, das sagt er, aber er habe das Schreiben nie gebraucht.
Rosszko sehen wir jeden Tag hier. Auf dem Bildschirm. Wir haben hier nur einen Bildschirm. Wir haben wenig hier, auch kaum Wasser. Wasser wäre noch wichtiger als ein Bildschirm, sagt mein Onkel, und alle sagen es und doch sitzen wir alle vor dem Bildschirm. Wir würden besser Wasser beschaffen, Rosszko würde besser oder die Kommunity würde, aber ich weiss nicht, was die Kommunity überhaupt kann – das Wasser ist nicht sauber, und niemand tut etwas.
Aber ich schreibe jetzt noch etwas anderes. Meine Braut heisst Samanga und sie ist die schönste Braut im Dorf. Auf der ganzen Welt. Sie ist zart wie Honig, und sie singt wie die Melanga, die im Wipfel über unserem Haus wohnt und noch singt, wenn alle anderen Vögel schweigen. Ihre Arme sind sanft, und ihre Hände schlank und schmiegsam. Ihre Augen dunkel und voller Liebe, und von Liebe singt sie, wenn sie vor der Hütte sitzt und wartet.
Wenn ich komme, dann tanzt sie und ich setze mich hin und ihre Füsse tanzen, und ihre Beine tanzen, und der Himmel tanzt mit und meine Melanga singt und ich singe mit ihr. Sie hat mich erwählt, ich habe ihr in die Augen geschaut und Samanga hat mich erwählt, und ich wusste, dass sie mich erwählen würde.
Der Chief hat gesagt, wir müssen hier etwas aufbauen, aber was wir aufbauen müssen, weiss er auch nicht, der Chief weiss sehr wenig, und wenn wir etwas aufbauen sollen, Samanga und ich, dann müssen wir wegziehen, in die Stadt, denn dort wird gebaut, das habe ich selbst gesehen, Häuser, Türme, und nicht nur Hütten wie bei uns. Wir werden in die Stadt ziehen müssen, Rosszko baut die Stadt auf, so sieht das aus und Rosszko hat es selbst gesagt, ich habe es gesehen, auf meinem Bildschirm, ich habe doch einen eigenen Bildschirm, einen kleinen Bildschirm, auf dem Handy, ich kann fernsehen, wenn ich bezahle, man kann in unserem Dorf bezahlen, für das Handy, wenn man Geld hat. Als er das sagte, war ich eben am Schauen, weil ich Geld hatte, und es bleibt nichts anderes übrig, als in die Stadt zu ziehen. Samanga will nicht, ich habe sie gar nicht gefragt, aber ich weiss, dass sie nicht will, denn … Sie wird traurig sein, und wenn sie traurig ist, dann tanzt sie nicht. Ich will erst heiraten. Sie weiss, dass nichts anderes übrig bleibt. Die Stadt gehört Rosszko, das Fernsehen und das Fussballstadion auch. Sonst ist nicht viel dort, ausser der riesigen Stadt. Die grösste Stadt. Der Welt. Die grösste, die es je gegeben hat.
Wir werden dort leben, und ich kann Geld verdienen. Rosszkoin. Sie sagen, dort gehe alles nur noch mit Rosszkoin, das ganze Leben, und wenn man etwas erreichen wolle, dann müsse man für Rosszkoin sorgen. Vielleicht einen Laden. Etwas verkaufen. Samanga könnte auch mithelfen im Laden, auch wenn sie Kinder hat. Aber vielleicht läuft alles anders. Denn wenn Rosszko einmal hier ist, dann …
Impressum und Copyright:
Andreas KöhlerLessingstrasse 2CH - 9008 St. GallenDr. med. / FMH Psychiatrie und Psychotherapie